Herbert Linge Club-Abend

Clubabend mit Herbert Linge am 3.11.2009

 

Am 3.November 2009 konnten wir im Saal des „Gasthaus Sonne“ in Tiefenbronn knapp 100 Gäste und Mitglieder zum Clubabend mit Herbert Linge, dem heute 81-jährigen ehemaligen Porsche-Mitarbeiter und Rennfahrer, begrüßen. Zu Beginn wurde ein Film über ihn gezeigt, der anlässlich seines 79.Geburtstag vom SWR ausgestrahlt worden war und die vielen Facetten seines Lebens zeigte. Nach dieser schon sehr informativen Einstimmung gab der Moderator des Abends, Dieter Röscheisen die erste Fragerunde an das Publikum frei.

 

Herbert Linge sprach über die „gute alte Zeit“, als er mit dem Motorradfahren anfing. Er fuhr beispiels-weise Zuverlässigkeitsfahrten in Heilbronn. 8 Stunden waren Zeit, um verschiedenste Punkte anzufahren. Seine Frau war auch mit dabei, aber selbst fahren wollte sie nicht: „Lilo hat sich lieber hinte nuff gsetzt“. Die Sprechverbindung vom Fahrer zum Sozius hat Herbert Linge dann auch lieber ausgeschaltet.

 

Der Clubabend-Gast war einer der ersten Lehrlinge bei der Fa. Porsche; er trat 1943 in das Stuttgarter Unternehmen ein. Gerne erinnerte er sich, die ersten Abgüsse der Zylinderköpfe für die neuen Motoren auf Basis des VW-Boxers dem „Professor“, wie Ferdinand Porsche liebevoll von der Belegschaft genannt wurde, präsentieren zu dürfen. Lebhaft erzählte Herbert Linge vom Professor und von dessen Sohn Ferry Porsche. Das Unternehmen Porsche ist sehr stark auch mit dem Namen Herbert Linge verbunden. So war er auch am Aufbau des Entwicklungszentrums in Weissach maßgeblich beteiligt und arbeitete in seinem Heimatrot bis zu seiner Pensionierung in leitender Stellung.

 

Das Jahr 1951 stand unter dem Motto „Linge allein in Amerika“. Herbert Linge ging zum Aufbau des Porsche-Kundendienstes in die USA. Der Stop-and-go-Betrieb in amerikanischen Großstädten war schlecht für die Motoren, da die Vergasereinstellung auf diesen Betrieb nicht ausgelegt war. Wenn es Probleme an Fahrzeugen gab, fuhr Herbert Linge von New York nach Florida oder nach Chicago und reparierte vor Ort. Die Verständigung im Land der unbegrenzten Möglichkeiten war anfänglich ein Problem, denn an der englischen Sprache hat es noch gehapert. Bei einer Schulung der meist deutschstämmigen Mechaniker erinnerte sich Herbert Linge an die Aussage während der Mittagspause: „Dei Schwäbisch versteh mr besser als dei Englisch!“ So stellt Herbert Linge dann die Sprache in seiner Schulung kurzfristig einfach um. Die Kleiderordnung in den USA war Anzug, weißes Hemd und Krawatte. Die Mechaniker hatten jeden Tag ein frisches Hemd an. So kam Herbert Linge nach seinem Aufenthalt in den USA mit 64 weißen Hemden zu seiner Frau Lilo zurück. 1955 kam dann Otto-Erich Filius und gründete Porsche Nordamerika.

 

Während seines Aufenthaltes in den USA fuhr Herbert Linge natürlich auch noch Autorennen. Er nahm 1952 an der Carrera Panamericana zusammen mit Prinz zu Hohenlohe, Graf Bergheim und Fürst Metternich teil. Mit einer Werkzeugkiste und einem Cadillac Cabriolet machten sie sich auf den Weg nach Mexiko. Auf der 3113 km langen Strecke vom Norden in den Süden Mexikos gab es dann Probleme mit der Getriebesynchronisation. Fürst Metternich belegte mit seinem 550Spyder den 8.Platz im Gesamtklassement. Die Vergaser hatte Herbert Linge speziell für die höchsten Punkte der Strecke (3196 Meter) eingestellt. Der Porsche 550Spyder steht heute im Porsche-Museum. Mercedes gewann mit Karl Kling und Hans Klenk am Steuer des 300SL das Rennen, das dann nach 1954 verboten wurde.

 

Das wohl lengendärste Rennen der Welt, die Mile Miglia ist auch sehr stark mit Herbert Linge verbunden. Ein bekanntes Bild aus diesen Tagen stellt die Bahnschranken-Durchfahrt des Porsche 550Spyder mit Hans Herrmannn und Herbert Linge aus dem Jahre 1954 dar. In den Tagen davor hatten die beiden schon beobachtet, dass die Italiener die Schranken immer sehr früh schlossen. Als die beiden dann an den Bahnübergang kamen, konnte Hans Herrmann nicht mehr bremsen und gab Herbert Linge einen Schlag auf den Helm und beide fuhren mit eingezogenem Kopf unter der Schranke hindurch. Herbert Linge merkte zu dieser Situation nur an: „Viel Luft war ned!“ Mit dieser Aktion verschafften sich die beiden Porsche-Piloten einen Vorsprung, den sie bis ins Ziel nicht abgaben und holten den Klassensieg. Auf eigener Achse fuhren sie mit dem „1500er-Motörle“ im 550Spyder nach Hause. Im Werk 1 in Zuffenhausen wartete die Belegschaft zusammen mit Ferry Porsche, dem Rennleiter Huschke von Hanstein, Rennfahrer-Kollege Richard von Frankenberg und dem damaligen Oberbürgermeister von Stuttgart, Arnulf Klett und bereiteten den Siegern der Mille Miglia 1954 einen tollen Empfang.

 

Ein weiteres großes Rennen, nämlich Lüttich-Rom-Lüttich konnte Herbert Linge zusammen mit seinem Beifahrer Helmut Polensky im Jahre 1954 als Gesamtsieger auf einem Porsche 356 Leichtmetallauto mit einem Fuhrmann-Motor abschließen. 4 Tage und 5 Nächte Nonstop auf 3250 Meilen (4700km) von Belgien nach Italien und wieder zurück. Pausen ca. 20-25 Minuten. 6-7 Mal mussten auf dieser Strecke die Zündkerzen gewechselt werden. Nicht die Mechaniker machten diese Arbeit, sondern die beiden Rennfahrer legten selbst Hand an. Über Schotterpisten über die Alpen gekommen, nahmen die beiden in den 25 Minuten Pause ihr vorbestelltes Bad beim Wirt am Stilfser Joch. Herbert Polensky war einer der letzten „Herrenfahrer“. Während Herbert Linge mit Polo-Hemd zur Siegerehrung gehen wollte, war sein Fahrerkollege auf alles vorbereitet und hatte auch für Herbert Linge Anzug und Krawatte eingepackt.

 

1957 fuhren Herbert Linge und Paul Ernst Strähle auf einem Porsche 356 Carrera GT (WN-V 2) die Mille Miglia. Im Vergleich zu 1954 lag die Durchschnittsgeschwindigkeit um 10km/h höher. Das Duo schaffte damals ebenfalls den Klassensieg. Übrigens fuhr das Original-Fahrzeug mit der Originalbesetzung bei der 2.Tiefenbronn Classic mit. Dazu meinte Herbert Linge: „Es war alles identisch, außer das Gewicht der Fahrer.“

 

Herbert Linge berichtete über einige Rennen, die er zusammen mit Paul Ernst Strähle bestritten hat. Strähle hatte immer eine Kamera dabei, meist sogar zwei. Oft gab es einen Disput, ob die Kamera mitgenommen wird oder nicht doch besser einige Ersatzteile.

 

Nachdem 1963 der 911er vorgestellt wurde, kam 1965 der erste öffentliche Auftritt dieses Fahrzeuges in der Rallye-Szene bei der Rallye Monte Carlo. Herbert Linge und unser Ehrenmitglied Peter Falk sollten den „Neuen“ ohne Kratzer in den Fürstenhof des Fürstentums bringen. Dies war nicht gerade einfach, denn sehr viel Schnee auf der Strecke insbesondere auf dem Col de Turini erschwerte dieses Unterfangen. Verkehrszeichen waren nicht mehr zu sehen. So verließ sich Herbert Linge auf Peter Falks Navigation mit dem Kompass. Die vorbereiteten Spike-Reifen konnten leider nicht für den 911er verwendet werden, da Eugen Behringer auf einem 904 verheißungsvoll im Rennen lag und hinter einem Mini den zweiten Platz im Gesamtklassement erreichte.

 

Unser Gast war nicht nur als Rennfahrer für Porsche unterwegs, sondern doubelte im Hollywood-Film „Le Mans“ den Hauptdarsteller Steve McQueen in einem Porsche 904. Steve McQueen konnte sehr gut Autofahren. Nur die Versicherung spielte nicht bei allen Szenen mit. Während Unfallszenen mit ferngesteuerten Autos gedreht wurden, mussten Dreher von Herbert Linge gefahren werden. Der Porsche 917 mit Langheck durfte nach Vorgabe von Ferdinand PiNch nur von Herbert Linge gefahren werden, da er sehr tückisch zu steuern war, der Porsche. Herbert Linge erläuterte, dass bei den Boxenstopps in seinem Fahrzeug in den drei eingebauten Kameras die Filmrollen gewechselt wurden. Erst vor kurzem wurde das Original-Fahrzeug aus dem Film nach 30Jahren in einer Scheune in Frankreich gefunden und wird derzeit wieder aufgebaut. Zum 40jährigen-Jubiläum des Filmes im Jahr 2010 soll das Original-Fahrzeug als Kamerawagen bei den Feierlichkeiten fahren. Auf die Frage, ob sich Herbert Linge es vorstellen könnte, dann wieder dieses Fahrzeug zu lenken, meinte er mit einem verschmitzten Lächeln: „Ja, warum nicht!“

 

Herbert Linge hatte die Idee, die Rennstrecken sicherer zu machen und gründete im Jahr 1972 die ONS-Staffel. Je nach Rennstrecke wurden bis zu 30 Funkposten und 18 Fahrzeuge bereitgestellt, die Unfälle sofort meldeten und dann an die Unfallstelle fuhren, um Fahrer direkt zu retten oder Feuer zu löschen. Zur Besatzung der Fahrzeuge gehörten auch Ärzte. Während vor Einführung der ONS-Staffel (Abkürzung für: Oberste Nationale Sportkommission für den Automobilsport in Deutschland GmbH) noch 3-4Tote pro Jahr im Rennsport zu beklagen waren, gab es glücklicherweise nur noch alle paar Jahre einen Todesfall an den Rennstrecken. Der mehrfache Formel1-Weltmeister Niki Lauda verdankt der ONS-Staffel sein Leben. Als Lauda 1976 beim GP von Deutschland auf der Nordschleife des Nürburgrings schwer verunglückte, war Herbert Linge mit seiner ONS-Staffel auch an der Strecke. Ganz besonders freut es uns natürlich, dass sich unter den Besuchern unseres Clubabends auch Hans Clausecker eingefunden hatte, der damals als erster an die Unglücksstelle kam und Niki Lauda aus seinem brennenden Ferrari 312T2 rettete.

Für die Gründung der ONS-Sicherheitsstaffel und der damit verbundenen Erhöhung der Sicherheit auf den Rennstrecken erhielt Herbert Linge das Bundesverdienstkreuz.

 

Dr. Rolf Rothenberg dankte Herbert Linge für seinen beeindruckenden Vortrag, überreichte ihm eine Urkunde und ernannte ihn, in großer Anerkennung seiner herausragenden Leistungen im Motorsport und als Dank für die Unterstützung des Vereins, zum Ehrenmitglied der Oldtimer-Freunde Tiefenbronn. Frau Linge erhielt als Dank einen Blumenstrauß.

 

Herbert Linge

                    Herbert und Lieselotte Linge mit dem Vorstand der Oldtimer-Freunde Tiefenbronn

 

Lesen Sie auch unter Presseberichten den Text in der PZ und im Tiefenbronner Gemeindeblatt

 


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